Palliativmedizin vs. «herkömmliche Medizin»
Krankheiten, die einst als unheilbar galten, können heute oft erfolgreich behandelt oder zumindest kontrolliert werden. Dennoch gibt es Situationen, in denen Heilung nicht mehr möglich ist. In solchen Fällen gewinnt die Palliativmedizin an Bedeutung.
Krankheiten, die einst als unheilbar galten, können heute oft erfolgreich behandelt oder zumindest kontrolliert werden. Dennoch gibt es Situationen, in denen Heilung nicht mehr möglich ist. In solchen Fällen gewinnt die Palliativmedizin an Bedeutung.
Der wesentliche Unterschied liegt im Behandlungsziel. Während die «herkömmliche Medizin» darauf abzielt, Krankheiten zu heilen oder deren Fortschreiten zu verhindern, konzentriert sich die Palliativmedizin auf die Linderung von Beschwerden und die Verbesserung der Lebensqualität – unabhängig davon, ob eine Heilung möglich ist oder nicht.
Ein weit verbreitetes Missverständnis ist die Annahme, dass Palliativmedizin ausschliesslich für die letzten Lebenstage oder -wochen gedacht ist. Viele Menschen setzen sie fälschlicherweise mit Sterbebegleitung gleich und glauben, dass die Einleitung einer palliativen Behandlung bedeutet, dass das Lebensende unmittelbar bevorsteht. Doch das ist nicht der Fall. Palliativmedizin kann bereits frühzeitig parallel zu anderen Behandlungen begonnen werden, wenn eine schwere Erkrankung vorliegt. Hierbei steht der Mensch als Ganzes im Mittelpunkt. Neben körperlichen Beschwerden wie Schmerzen, Atemnot oder Übelkeit werden auch emotionale, soziale und spirituelle Bedürfnisse berücksichtigt. Ein interdisziplinäres Team aus Ärztinnen und Ärzten, Pflegefachpersonen, Physiotherapeutinnen und -therapeuten, Psychologinnen und Psychologen sowie Seelsorgenden arbeitet eng zusammen, um eine bestmögliche Versorgung zu gewährleisten und Unterstützung für Betroffene und ihre Angehörigen zu bieten.
Symptomkontrolle statt maximaler Therapie
Während in der herkömmlichen Medizin oft versucht wird, eine Krankheit mit allen verfügbaren Mitteln zu bekämpfen, steht in der Palliativmedizin die Abwägung zwischen Nutzen und Belastung einer Behandlung im Vordergrund. Ein Beispiel: Eine aggressive Chemotherapie kann das Fortschreiten einer Krebserkrankung möglicherweise verlangsamen, bringt aber oft erhebliche Nebenwirkungen mit sich. Palliativmedizin hilft dabei, solche Entscheidungen bewusst zu treffen – mit dem Fokus auf Lebensqualität anstelle einer maximalen, oft belastenden Therapie. Studien haben gezeigt, dass die frühzeitige zusätzliche Betreuung durch ein Palliativteam zu einer längeren Lebenszeit mit besserer Lebensqualität und weniger aggressiven Therapien am Lebensende führen kann.
Die palliative Versorgung erfolgt in verschiedenen Settings – sei es im Spital, in einer spezialisierten Palliativklinik, in einem Hospiz, in Pflegeheimen oder zu Hause. Viele Schwerkranke wünschen sich, die letzte Lebensphase in vertrauter Umgebung zu verbringen. Palliative Betreuung zu Hause wird durch mobile Palliativdienste, spezialisierte Hausärztinnen und -ärzte sowie Pflegekräfte ermöglicht.
Dr. med. Corina Kaufmann